So wie beim Fishermen’s Friends Spruch haben wir uns gefühlt, beim Übergang zwischen Pitz- und Ötztal mit einer Etappe, die uns eine Bruttozeit von 9 Stunden und 30min einbrachte. Und das bei ca. 30km und nur ca. 1300-1400hm. Woran lag das nur?
Auf dem E5 zur Braunschweiger Hütte, im Hintergrund der Pitztaler Gletscher
Tagessteckbrief und Karte
siehe Artikel 7SIV Haute Route Tirol – Stage 2 Einbürgerung in die Bike Republic
- Highlight: Pitztaler Jöchl 3005m
Zurück zum Anfang ins Pitztal: Christiane, Falk und ich wollen die Etappe von Mittelberg – über Braunschweiger Hütte – Rettenbachjoch – in die Bike Republic Sölden angehen. Wir sind früh gestartet, denn sollte noch Raum für mehr sein, können wir noch ein wenig Zusatzflow auf den Lines der Republic genießen und überschüssige Energie abbauen.
Der Weg von Mittelberg ist eine Vorsorgungstrasse zum Pitztaler Gletscher also sehr breit aber nur kurz flach. Hinter dem Gletscherstüberl wartet gleich die erste Überraschung des Tages. Die Fahrstrasse ist mit einem großen Gatter dauerhaft gesperrt, da dahinter eine Herde Kühe samt Bulle lauern! vor dem explizit gewarnt wird. Zudem wird unmißverständlich signalisiert, dass hier die MTB Route endet. Über den Zaun klettern wollen wir dann auch nicht und gehen gleich unten auf den total verblockten und definitiv nicht fahrbaren E5 Fernwanderweg.
Versorgungsweg am Pitztaler Gletscher
Der E5 zeigt mal gleich was er ist, superschön mit seinem Wasserfall aber verblockt und wir beginnen samt Bike auf dem Rücken mit leichter Kletterei an den Seilversicherungen und Stahltritten, schieben ist nicht sehr viel. Wir wechseln uns mit einer 3köpfigen Familie ab und nach knapp 500hm und vielen Kletterstellen kommen wir oben endlich wieder auf die Versorgungsstrasse. Aber nicht lang und wir sind wieder auf einem Steig, der nochmals ca. 400hm bis zur Braunschweiger Hütte macht.
Auf dem E5
An der Hütte sind wir eigentlich durch und finden zunächst den versteckten Hintereingang nicht, obwohl er genau gegenüber dem Vordereingang liegt. Einige Wandergruppen sind da, die Bikerquote ohne uns = Null. Mehrere Schilder berichten uns, dass aufgrund Baustelle – die Skipiste am Rettenbachferner wird naturfreundlich gerichtet, NICHT ausgebaut – das Rettenbachjoch gesperrt ist. Wir fragen noch den Hüttenwirt, ob er uns vielleicht mit der Materialseilbahn wieder runterbringt (zumindest die Bikes), aber er verneint dies glasklar. Die Alternative das Pitztaler Jöchl ist mir als durchaus anspruchsvoll untergekommen, die Bedienung macht uns Mut: „wer es bis hierhin mit Bike geschafft hat, der schafft auch den Rest“.
An der Braunschweiger Hütte 2756m
Wir ratschen noch nett mit der 3köpfigen Familie (sonst auch Biker) und gehen fast zeitgleich, mit einer Suppn gestärkt das Pitztaler Jöchl auf immerhin 3005m an. Zunächst über ein Steinfeld, aus sehr großen Brocken, dann einen Hangtrail hoch der gar nicht so tragisch ist. Die Luft wird dünn und das Atmen fällt schwer. Unser Torkeln bemerken auch die Steinböcke, von denen wir argwöhnisch beäugt werden. Oben vor dem Jöchl wartet nochmals ein Steinfeld, sowie ein sehr schmaler Gratweg mit Seilversicherung und das Jöchl selbst ist ebenfalls ein verblocktes Steinfeld. Am Ende des Feldes sieht man eine Seilversicherung rausschauen. Hier geht es nun, teilweise auf Eis und Fels ca. 20-30m steil über Stahltritte runter. Das wäre ok, aber der Felsenhang ist teilweise zu eng, um gleichzeitig das Bike auf dem Rücken zu haben. Um nicht hängenzubleiben oder gar das Bike durchrutschen zu lassen, entscheiden wir uns die Bikes ein wenig weiter auseinander zu nehmen. Vorderrad raus oder auch das Hinterrad und wir klettern die Passage bis zu 3-4 mal rauf und runter. Das braucht eher Geduld als Können, aber das ist safe!
Am Pitztaler Jöchl
Unten lauern Schneefelder und weiter verblocktes Gelände, obwohl wir schon nah die James Bond Strasse zum Rettenbachferner sehen können. Geduld und abermals Geduld ist gefragt sich durch das Gelände vorwärts zu bewegen, weiter mit kurzen Seilversicherungen und Stahltritten nochmals eine nicht einzusehende Steilstufe runter. Schließlich kommen wir auf die nächste Versorgungsstrasse und können endlich biken, juchhu. Der Blick zurück zum Rettenbachferner zeigt auf, welch steiles Gelände wir am Joch gemacht haben, dass wäre nicht wirklich leichter am Rettenbachjoch (oberhalb der Skistation, während wir von rechts gekommen sind), wenn man auch die 3000m dann nicht knackt!
Rettenbachferner in Sölden mit James Bond Strasse
Wir fliegen die Strasse runter und werden jäh vom steilen Anstieg Richtung Ollweite Line der Bike Republic abgefangen. Wieder Fahrstrasse sogar asphaltiert, aber mit 2 Rampen >20 Prozent Steigung. Am Einstieg angekommen, treffen wir noch wenige andere Biker, denn es ist schon spät geworden. Ungläubige Blicke aufgrund der Frage: „Habt Ihr den letzten Lift noch bekommen?“, Antwort: „Nee, wir wollten sparen und sind vom Pitztal rüber gekommen“. Aber eigentlich sind die Qualen schnell vergessen, denn die Ollweite und das Tor zur Republic machen richtig Spaß. Die Beine etwas schwer, queren wir rüber nach Hochsölden (im unteren Teil der Ollweite auch direkt möglich und somit OHNE d.h. unterhalb der Harbe Line, welche an der Bergstation der Giggijoch Bahn startet) und verschieben den Leiterbergtrail, einer der Top5 Naturtrails in Tirol auf den nächsten Tag, was im Nachgang total Sinn gemacht hat.
Gate in die Bike Republic Sölden
Wir fliegen jetzt wirklich die leere Gahe Line runter und pushen nochmal richtig – sehr geil, alles frei alles leer, Bremsen einfach nur aufmachen. Die letzten HM vernichten wir auf der Strasse (also OHNE Lettn Line) und sind um 1800 Uhr schließlich mitten in Sölden. Hinter dem etwas biederen Hubertus Hotel werden wir fündig und mieten uns im Boutique Hotel mit Frühstück im großen Apartment 2 Schlafzimmer, 2 Bäder bei Andre Arnold ein. Andre Arnold ist Ski Champion und hat das ganze Hotel voll mit Ski Trophäen, das Haus ist sehr einladend und super aufgeräumt, wir genießen noch den tollen neuen Wellnessbereich. Den Abend beschließen wir mitten in Sölden im Gusto auf der Terrasse, sehr leckeres italienisches Essen mit riesigen Mengen an Pizza/Pasta und Salat.
Andre Arnolds Boutique Hotel in Sölden ist sehr zu empfehlen
Nachtrag: den Leiterbergtrail sind wir am nächsten Tag gefahren. Die Bergfahrt samt Bike mit der Giggijochbahn liegt nun bei fast 30€, aus meiner Sicht trotz Inflation oberhalb der Schmerzgrenze! Auch wenn Sölden super viel macht und die Trails in top shape waren, trübt es ein wenig den Spaß für jedermann/frau. In der Tat ist der Leiterbergtrail aber sehr lohnend, gerade im Mittelteil spannende technische Abschnitte, nicht zu enge, gebaute Kehren, viele große Steine und Wurzeln. Wer S2 (siehe Singletrail-Skala) sicher in allen Belangen und jedem Terrain fahren kann, kommt hier gut im Flow runter und es dürfte gern noch etwas länger sein. Definitiv nichts für Anfänger, aber das ist keiner der 5 Top Rated Trails of Tirol.
Leiterbergtrail im Norden des Bikeparks Sölden
Tom Bauer 2023