96% Trailanteil auf 42km einer Transalp Etappe mit 2500hm Downhill in hochalpiner Kulisse kann es eigentlich nicht geben – oder doch?! auf dem Weg nach Poschiavo.

Tagessteckbrief Stage 5 Livigno – Poschiavo/St.Moritz

Wir starten um 8:30 zur Gondel Carosello 3000, die nur knapp 1km vom Hotel Richtung Ortsausgang nach Süden liegt. Die einfache Fahrt kostet uns 10€ und die Gondel bringt uns schnell auf knapp 2800m mit einem herrlichen Blick über das Tal und den Ort. Rein in das Vergnügen und mit dem Bikers United und der anschließenden Blueberry Line warten knapp 1000hm Downhill im absolut flowigen S1 Style auf uns.

Blick vom Carosello 3000

Trailkarussell auf der Blueberry Line

Am Ende des Trails etwas oberhalb der Talstation halten wir uns rechterhand und ein weiteres Trailstück bringt und weiter nach Süden ganz kurz auf den asphaltierten Radweg. Nach wenigen 100 Metern an einer unscheinbaren Stelle, geht es links unter eine Brücke durch (Achtung: Kopf einziehen) und auf einen Trail auf der linken Talseite, der uns in kurzen Up- and Downs aus dem Ort auf den Weg Richtung Forcola di Livigno bringt. Wir kommen an der Alpe Vago vorbei und rechts sehen wir die Lawinenüberbauungen der Straße zur Forcola, die wenig später in Sicht kommt. Ganz am Ende des Tals geht es zur Forcola einen sehr steilen Uphill von ca. 100hm hoch. Es sind enge Kehren zu nehmen, die nur mit sehr viel Druck auf der Kette gefahren werden können.

Blick zur Forcola di Livigno

Oben gibt es Möglichkeiten zur Einkehr oder aber wir begeben uns gleich auf den weiteren Uphill Trail Richtung Val Minor. Dieser ist seit 2015 sehr gut ausgebaut und mit wenigen Rampen gut fahrbar. Uns empfängt eine sensationelle Bergwelt mit den Gletschern der Bernina Gruppe. Von 2500m Höhe geht es nun runter einen hochalpinen Trail zum Bernina Pass, der aber ebenfalls gut ausgebaut ist.

Trail zum Bernina Pass

Nach so viel Trail bietet sich an am Bernina Hospiz mindestens einen Cappucino Stop oder sogar zu Mittag zu essen. Hierzu kann man in die Albergo Bernina Hospiz gehen oder in das auf der anderen Seite in einem grauen Haus mit roten Läden liegende Restaurant Cambrena. In beiden ist übrigens auch Übernachtung möglich.

Von der Sonnenterasse genießen wir den Blick auf die Bernina Gruppe mit dem Piz Bernina, dem Piz Palü mit ihren Gletschern und dem sich darunter befindlichen Lago Bianco. Er heißt so, da er von den Gletschersedimenten eine weißliche Farbe angenommen hat. Anschließend geht es nach Osten und eben NICHT Richtung St. Moritz über einen weiteren S1-S2 Trail, an wenigen Stellen abgebrochen, runter zum Lago Bianco. Der Blick über den Lago Bianco ist absolut sehenswert und es geht durch bis zur Staumauer. Nach einem Felsabsatz gabeln sich hier die Wege.

Blick vom Bernina Pass in die Bernina Gruppe
Lago Bianco

Meine Empfehlung ist hier links den Normalweg zu nehmen, falls man sich auf dem entspannteren Trail der Alpe Grüm näher will oder aber rechts den Fahrweg rauf, wer sich an dem genialen hochalpinen Trail vom Restaurant Sassal Massone auf 2355m versuchen will. Der Trail ist S2+ und bringt einen über einen felsigen Steig mit Blick in die Bernina Gruppe wieder auf den Normalweg. Er setzt ein klein wenig Schwindelfreiheit voraus und ist an wenigen Stellen verblockt. Weiterhin benötigt er unbedingt auch Rücksicht auf Wanderer, die Euch dort nicht erwarten werden!

Am Sassal Massone
Trail vom Sassal Massone

Der Adrenalinausstoß ist jedenfalls großartig und wir kommen über eine Senke und über einen unbeschrankten Bahnübergang wieder auf den Normalweg. Die Schienen werden wir heute noch oft überqueren, also bitte aufgepasst auf den Bernina Express!

Track der Rhätischen Bahn

Über ein kurzes Trailstück erreichen wir die Alpe Grüm mit der Bahnstation und dem Restaurant. Jetzt geht es einigemale über die Schienen und trailig durch den Wald. Der Trail ist nicht wirklich schwierig, aber auch nicht wirklich glatt und wir bollern den Weg entlang. Auch hier gibt es eine Zusatzoption Richtung Cavaglia und dazu muss man im Wald scharf rechts abbiegen, um zum See Lagh da Pälu zu kommen. Nach der Seeumrundung gerät man rechterhand in einen waschechten S3 Trail nach Cavaglia. Kann man machen, kostet Zeit und Kraft, muss man aber nicht. Und wer es flowiger liebt, bleibt auf dem Bernina Express Trail, der ebenfalls nach Cavaglia führt.

Alpe Grüm Restaurant
Abbieger Richtung S3 Trail

In Cavaglia ist die nächste Bahnstation auf einer Hochalm. Wir folgen den Schienen und am Waldrand geht es auf den finalen langen offiziellen Biketrail nach Poschiavo, zunächst an den Schienen wieder mit Querungen entlang, dann stürzt sich der Trail im Wald über einige Kehren zu Tal. Eigentlich ein S1 Flowtrail, er bleibt aber die ganze Zeit recht ruppig, da Steine, Wurzeln und ausgewaschene Rinnen sich in den Weg stellen.

Auf dem Weg Richtung Cavaglia
Alm-Öhi in Cavaglia

Er hinterlässt ein breites Grinsen auf unserem Gesicht, wird noch kurz zum Karrenweg und führt vor dem Wald auf einem gradähnlichen Hügel zum Ort. An der Straße können wir nochmal geradeaus auf einen Wiesentrail, auch wenn das rote Bikeschild nach rechts weist. Unten dann wirklich rechts und wir rollen durch Poschiavo zum Bahnhof. Hier lerne ich Nico aus St. Gallen kennen. Er ist Liteville Fahrer wie ich bzw. will es werden und hat ein schwarzes 301 Leihbike dabei. Heute hat er frei von der Familie bekommen und ist von Moritz zum Bernina hoch und nach Poschiavo runtergefahren. Wir haben noch 2 Minuten, um den Zug zu erreichen und er ist so nett und kauft die Bikekarte gleich für mich mit – merci nochmal! „Wir schaffen dass“, sagt er seelenruhig aber die Schweizer Fahrpläne sind unerbittlich und wir verpassen den Zug um ca. 10 Sekunden.

Blick auf Poschiavo

Nun haben wir 1 Stunde Extratime und ich bekomme noch eine Ortsführung durch Nico. Besonders erwähnenswert ist die Nudelfabrik Molino e Pastificio am Ortseingang. In einem kleinen Laden kaufe ich 1 Kilo Spaghetti umweltfreundlich in Papier eingepackt, die besten ever. Gruselig geht es weiter und wir schauen uns das offene Gebeinehaus an der Kirche St. Anna (Ossario E Chìesa Di Sant Anna) an. Hier sind die Totenschädel fein säuberlich in Stahlregalen aufbewahrt.

Zentrum Poschiavo
Memento Mori

Jetzt aber ab zum Zug der Rhätischen für den wir übrigens ca. 30 CHF bezahlt haben. Das Ticket kostet ca. 15 CHF, die Velotageskarte 14 CHF. Dafür sind die Bikeabteile sehr geräumig und lassen es eher unwahrscheinlich erscheinen, dass man hier mal wegen Überfüllung nicht mitkommt. Die Fahrt hoch bringt uns durch viele Haarnadelkurven, Überbauungen und Tunnels an unseren Trails vorbei wieder in ca. 50 Minuten zurück zum Hospiz. Ab hier kann man Richtung St. Moritz mit dem Bike abfahren. Allerdings rate ich bis Moritz (1 Stunde und 43 Minuten Fahrzeit) durchzufahren, denn zeitmäßig sollte sich der Biketag nun eher dem Ende zuneigen. Im mondänen St. Moritz rollen wir nochmal durch die Haupteinkaufsstraße und dann nach Süden in den Vorort Chamfer, wo unser Hotel liegt. Das Europa ist ein relativ großer Komplex und hat oben an der Straße einen Pächter mit einer guten Pizzeria und attraktiven Preisen.

Liteville Connection

 

Mit der Rhätischen auf dem Weg nach St. Moritz

Tom Bauer 2019