Transalp planen ist wie Puzzle spielen. Die Einzelteile liegen auf dem Tisch und man weiß genau, dass sich daraus das nächste Trailabenteuer zusammensetzen lässt. Wie aber die Teile zusammensetzen, damit das geplante Bild auch wirklich Realität wird?
Tagessteckbrief 7SII Stage 4 Santa Maria – Livigno
- Gipfel: Il Jalet 2392m (360 Grad Panorama)
- Länge: 42km (+14km Shuttle)
- HM Up: Brutto 1950/Netto 1200hm
- HM Down: 1300hm
- Trails: Trail unterhalb des Il Jalet oder zur Alp Buffola in den Schweizer Nationalpark, vom Passo Gallo, Ufertrail Lago di Cancano und vom Passo Trela
- Highlights: Lago di Cancano und das quirlige Livigno – Feel the alps!
- Bahn/Shuttle: Shuttle zum Ofenpass (auch Postbus möglich)
- Einkehr: Rifugio Val Fraele, Latteria di Livigno, Cronox
- Hotel Ankunft: Hotel Astra
Lange habe ich weiter gepuzzelt und nach vielen Erlebnissen, Gesprächen und Recherchen ist die 2nd Edition der Seven Summits Transalp dabei heraus gekommen. Dies ist eine Variante der Seven Summits Transalp, die sich am 4ten Tag von Santa Maria nach Livigno mit dem Ziel Comer See aufmacht.
Selbstverständlich gelten wieder die Rahmenbedingungen der Originalroute für jede Etappe:
1. Wiedererkennung von klassischen Transalp Routen
2. Aber auch: Verlassen der klassischen Transalp Routen auf neuen Pfaden
3. Jede Unterstützung nach oben durch Lift, Shuttle ist willkommen, denn
4. Wir wollen den Flow auf möglichst vielen Singletrails genießen und
5. Trotzdem eigene Höhenmeter zum Einstieg fahren/schieben/tragen sowie
6. Jeden Tag mindestens einen Gipfel/ein Gipfelkreuz erreichen
7. UND natürlich: Ride with Fun!
Am 4ten Tag fahren wir also von Santa Maria die legendären Trails am Passo Gallo und Passo Trela nach Livigno. Mit unterwegs sind Bernd, Dirk, Knut, Michel, Oli und Ralf und wir haben auch noch Adam von BikeLivigno als Guide dabei. BikeLivigno ist die offizielle Bikeschule mitten im quirligen Livigno, mit einem riesigen, lokalen Angebot an hochalpinen All-Mountain und Enduro Touren. Da Livigno in einem langgezogenen Hochtal liegt, werden die Touren nach Norden Richtung Stausee, wie auch nach Süden Richtung Bernina zumeist mit einem Shuttle angefahren. Adam erzählt uns zudem, dass er aus Chiavenna kurz vor dem Comer See stammt und hierzu eine eigene Website Bikecomolake samt Guiding Angebot betreibt. Hier gibt es Gipfeltouren mit Seeblick und einem Downhillanteil von >3000hm.
Zu unserem Startpunkt dem Ofenpass lassen wir uns also hochshutteln, das geht mit einem Shuttle vom Hotel oder auch per Postbus. Bitte hierzu die Postauto App installieren, der Bus fährt stündlich von Santa Maria und braucht nur 25 Minuten. Wir sparen somit auf der Strasse 14km und 750hm, um wie es sich bei der Seven Summits Transalp gehört, einen Tagesgipfel angehen zu können. Der Il Jalet ist ein idealer Kandidat, ein sehr einsamer Gipfel auf 2392m, den wir per Schieben/Tragen direkt vom Ofenpass erreichen können. Auf der Nordseite geht ein Steig hoch auf den abgeflachten Gipfelbereich, auf der Rückseite nach Süden warten Wege und Trails, die uns direkt in den Schweizer Nationalpark oberhalb der Alp Buffalora bringen.
Anmerkung: leider konnte ich die 6km Strecke auf den Il Jalet (360 Grad Panorama) und wieder runter dieses Jahr (2019) aus Zeit- und Verletzungsgründen noch nicht einpuzzeln. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass dieser Gipfel ein absolut lohnendes Ziel darstellt, soweit Schieben/Tragen auch zu Eurem Transalp Repertoire gehören. In meinem Track gehe ich den Il Jalet von Norden her an, da dort das Gelände tendenziell flacher ausgestaltet ist (siehe auch Rundwanderung in umgekehrter Richtung ). Oben hat man eine tolle Aussicht ins Münstertal und den Ortler aber auch weit über das Tal der Ova dal Fuorn und in den Nationalpark.
Und so hat der Il Jalet bis ins Corona Jahr 2020 warten müssen und zum Glück wegen geschlossener Grenzen nicht noch länger, um im Bikesteigerstil bezwungen zu werden 😉 Gelohnt hat sich der kleine, einsame Gipfel allemal, denn die Aussicht ist traumhaft und die steilen Felsformationen beeindruckend. Nach kurzem Runtertragen wartet ein langer Trail über die gigantische Hochebene Jufplaun Richtung Val Mora oder Passo Gallo.
Für alle gibt es selbstverständlich auch eine – allerdings gipfellose – Alternative: vom Ofenpass das kurze Trailstück zur Alp Buffalora runter und dann mühsam und sehr steil aufwärts in den Schweizer Nationalpark.
Oben angekommen fahren wir also die traumhaften Trails des Jufplaun oder den Panoramaweg und erreichen die Fuorcla del Gallo auf 2279m. Von dort geht es weiter zur gleichnamigen Alpe über einfache Trails und Wiesengelände mit Blick auf den äussersten Zipfel des Livigno Stausees. Dann geht der Trail in zumeist gut zu fahrenden Kehren am Hang entlang Richtung See und unterbricht den Flow mit kurzen abgebrochenen Wegstücken, Wasserfalldurchfahrungen oder Schneefeldern, wobei letzteres von der Jahreszeit abhängt. Kanada empfängt uns, in einer Kehre machen wir Pause und unter uns liegt ein breites Bachbett umrahmt von ausgedehnten Kiefernbeständen am Berg.
Der Trail bleibt gut zu fahren und wir halten uns möglichst weit oben an der Hangkante bis zum Passo di Fraele auf 1952m. Vor uns liegt der Lago di Cancano, ein Stausee mit zwei Staumauern in einer absolut abgelegenen Gegend ohne Ortschaften, nur kleine Hütten liegen am Rand des Sees.
Tipp von Daniel: wir fahren auf einem Trail unten am See entlang zur Staumauer, anstatt die 10m breite langweilige Piste zu nehmen. Wir kommen zum Rifugio Val Fraele – slogan „surrounded by nature“ – bei dem man sehr nett einkehren kann, um die Landesspezialität Pizzoccheri zu essen. Dies ist eine Teigwarenart mit Buchweizenmehl, die typischerweise vermischt mit Wirsing und Kartoffeln sowie viel Käse serviert werden.
Anschließend geht es über die Staumauer und am See entlang bis wir schließlich linkerhand in den Anstieg zum Passo Trela einbiegen. Die Auffahrt wird bald sehr steil, bleibt aber mit Ausdauer fahrbar. Wir kommen durch ein Felsentor und blicken nochmals zurück zum Lago di Cancano, dann rollen wir etwas flacher zur Alpe Trela. Rechterhand geht es hoch zum Pass und die Auffahrt wartet gleich noch einmal mit einer Steilstufe auf, die die meisten wohl teilweise schieben müssen aber mit genug Zug auf der Kette durchaus gefahren werden kann.
Hier bekommen wir große Glupschaugen (siehe Coverfoto oben), denn hinter uns kommt ein italienisches Pärchen mit E-Bikes zum Trela hoch. Das wäre heutzutage keine Meldung mehr wert, aber während er noch Helm trägt, hat sie nur ein Bikini Oberteil, eine Hot-Pants und weiße Nike Sneakers sowie eine Ray-Ban Sonnenbrille an. Mega-stylisch, uns erscheinen unsere Helme, Protektoren und Bike-Klamotten total over-dressed. Das ruft Adam auf den Plan und er ermahnt die beiden eindringlich im flüssigen Italienisch zu mehr Sicherheitsbewusstsein. Als Ergebnis will die E-Bikerin anschließend lieber mit Adam weiterfahren, denn als wir oben am Trela auf 2295m ankommen, lauert vor uns der Trail in die Tiefe.
Dieser fällt rechts am Hang ab. Die Schlüsselstelle ist eine etwas unübersichtliche Rechtskurve im steilen Gelände, vor der man verlangsamen muss, um die Kurve auch zu kriegen. Ansonsten zieht sich der Trail gerade herunter und lässt sich schön mit viel Spaß flüssig fahren. Wir kommen neben Trepalle heraus und können links oben auf die Bergstation des Lifts im Bikepark Mottolino schauen. Hier gibt es die Wahl den unteren oder oberen Trail zu nehmen: für den unteren an der Infotafel einfach vorbei, dieser ist einfacher, man muss dafür aber wieder 2 enge Serpentinen rauf. Für den oberen links raus und rechts/rechts über die Brücke, dann wartet auf Euch nochmals eine steile, felsige Geländestufe auf dem Weg in den Wald, wo beide Trails zusammenkommen und es mit Megaflow und Speed runter zum Stausee geht.
Vorsicht am Ende des Trails, denn ihr platzt mitten in den Strom von Gästen in Livigno. Hier ist alles vertreten vom Hardcore Downhiller bis zum 2-jährigen auf dem Laufrad oder im Kinderwagen, jüngeres und älteres Publikum. Jedenfalls leben die italienischen Gäste dolce vita und sind einfach tiefenentspannt. Fahrt mit dem Bike mitten auf der Haupteinkaufsstraße von Livigno und ihr wisst was ich meine! Die 250 Shops, die es dort wegen der Zollfreiheit gibt, machen Euch die Auswahl für ein Mitbringsel leicht.
Wir wollen nun auch Teil dieser Entspanntheit werden und dies kann am besten in der Latteria di Livigno machen. Das ist die Milchkooperative am Orsteingang mit entsprechenden Produkten wie Käse, Butter, dem besten Eis weit und breit und einer super Sonnenterasse mit Liegestühlen und Blick über den Ort. Hier sitzen wir alle mit Adam zusammen und genießen Coppa Latteria sowie das 1816 Bier, welches so heißt, weil es hier auf 1816m höhe in Livigno gebraut wird.
Anschließend geht es noch in den Ort zum Bikeshop in dem Adam arbeitet, wo wir uns mit ION Shirts und den neuesten Smith Helmen eindecken – deutsch bleibt eben deutsch 😉 Den Einkehrschwung machen wir in die Pizzeria Cronox, mit der höchst gelegenen Bowling Bahn Europas im Keller, sehr netter Bedienung und für ein Feierabendbier immer zu empfehlen!
Tom Bauer 2019